Altersvorsorgepflicht für Selbstständige muss ohne Wahlfreiheit kommen
- Können sich Selbstständige von einer Vorsorgepflicht befreien, könnten dies vor allem gutverdienende Freiberufler:innen tun.
- Ihre Beiträge fehlen dann der Solidargemeinschaft.
- Aus diesem Grund warnt ein aktuelles Gutachten vor der Altersvorsorgepflicht mit Wahlfreiheit.
Im Herbst könnte es so weit sein. Dann will das Bundesarbeitsministerium die Pläne seines Ministers Hubertus Heil (SPD) vorstellen, wie die Vorsorgepflicht für Selbstständige umgesetzt werden soll. Das berichtet Merkur Online.
Im Koalitionsvertrag ist bereits vorgezeichnet, dass diese Pflicht für alle neuen Selbstständigen gelten soll, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen. Sie sind dann in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Davon können sie sich über eine Opt-Out-Lösung befreien, wenn sie ein privates Vorsorgeprodukt gewählt haben.
An dieser Wahlfreiheit übt nun ein Gutachten von Prof. Daniel Ulber Kritik. Der Rechtswissenschaftler hat dieses für das Projekt „Haus der Selbstständigen“ erteilt. Es trägt den Titel „Mindestabsicherung von Selbstständigen in der Rentenversicherung.“
Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige nötig
Aus dem Rechtsgutachten geht hervor, dass die Einführung einer Vorsorgepflicht notwendig ist: „Es dürfte mittlerweile deutlich sein, dass die unzureichende Absicherung von Selbstständigen in der Rentenversicherung ein nicht hinnehmbares gesellschaftliches und ökonomisches Problem darstellt.“
Durch die Einbeziehung der Selbstständigen würde nicht nur ihre Altersvorsorge auf sicheren Beinen stehen. Der Schritt würde auch einen Teil zur Finanzierbarkeit der Rentenversicherung beitragen, auch wenn aus den neuen Einzahlenden später Leistungsempfänger werden.
Das Gutachten weist zudem darauf hin, dass dadurch „unangemessene Belastungen der Allgemeinheit aufgrund unzureichender Altersvorsorge von Selbstständigen“ vermieden werden können. Denn wenn die Personen im Alter nicht mehr auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, da sie pflichtversichert waren, entlastet dies die Staatskasse und somit den Steuerzahler.
Wahlfreiheit geht zulasten der Versichertengemeinschaft
Während die Idee der generellen Vorsorgepflicht als notwendig und richtig erachtet wird, übt das Rechtsgutachten Kritik an der Umsetzung. Aus Sicht von Ulber sollte die Rentenversicherungspflicht ohne Wahlfreiheit oder Opt-Out-Lösung kommen. Denn diese ermöglicht es gutverdienenden Freiberufler:innen, die bereits in Versorgungswerke einzahlen, sich der Pflicht zu entziehen. Dadurch droht eine „Risikoauslese zulasten des Solidarsystems.“ Denn die Beiträge der gutverdienenden Personen fehlen der Rentenkasse.
Der Professor macht zudem auf einen wichtigen Punkt aufmerksam: Die gewählte private Altersvorsorge sollte gleichwertig zur Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sein. Wann dies jedoch der Fall ist, lässt sich schwer bewerten, insbesondere wenn die weiteren Leistungen der Rentenversicherung wie die Erwerbsminderungsrente hinzugenommen werden.
Der Artikel wurde erstmals am 09. August 2023 veröffentlicht.