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Urteil zur Berufsunfähigkeits­­versicherung: Versicherer muss zahlen

  • Das Saarländische Oberlandesgericht Saarbrücken entschied über einen Fall zur Auszahlung der BU-Rente.
  • Der BU-Versicherer verweigerte die Zahlung und berief sich auf die konkrete Verweisung.
  • Die Richter:innen überzeugte die Begründung nicht, da die neue Tätigkeit
    des Versicherten nicht mit der früheren Position vergleichbar ist.

Eines der größten Vorurteile, das Verbraucher:innen gegenüber Versicherungen haben, ist die Befürchtung, dass diese im Ernstfall die versprochene Leistung doch nicht zahlen. Diese Erfahrung machte ein Mann mit seiner Berufsunfähigkeits­versicherung (BU). Diese verweigerte ihm die Zahlung der vereinbarten BU-Rente mit Hinweis auf die sogenannte konkrete Verweisung. Dies ließ sich der Versicherte nicht gefallen und zog vor Gericht (Az. 5 U 43/22, OLG Saarbrücken).

BU-Versicherer verweigert die Zahlung wegen neuer Tätigkeit

In dem vorliegenden Rechtsstreit geht es um einen früheren Vorarbeiter aus einem technischen Labor. Aufgrund einer Herzerkrankung war der Mann nach ärztlicher Einschätzung nicht mehr in der Lage, seinen Beruf auszuüben. Denn die Wechselschicht könne dazu führen, dass sich die Erkrankung verschlimmere und das Risiko für einen erneuten Herzinfarkt erhöhe.

Laut seiner Berufsunfähigkeits­versicherung stünde ihm eine monatliche BU-Rente von 1.200 € zu. Der Versicherer verweigerte jedoch die Auszahlung der Summe und begründete dies mit der konkreten Verweisung. Grund: Der Versicherte hatte bei seinem Arbeitgeber bereits eine neue Tätigkeit angenommen, in der er Aufträge erfasste und an einen Vorarbeiter weiterreichte.

Konkrete und abstrakte Verweisung: Was heißt das eigentlich?

Zum Hintergrund: In der BU gibt es die abstrakte und die konkrete Verweisung. Mit der abstrakten Verweisung kann der BU-Anbieter den Versicherten auf irgendeine andere Berufstätigkeit verweisen und somit die Zahlung der BU-Rente verweigern. Diese Form schließen die meisten Versicherer heute in der Regel im Vertrag bereits aus.

Mit der konkreten Verweisung prüfen BU-Anbieter, ob die Bedingungen für eine Berufsunfähigkeit noch gegeben sind, wenn der Versicherte eine neue Arbeit aufnimmt. Entspricht der neue Job dem alten Beruf in Fähigkeiten, Leistung, Ansehen und Lebensstandard, kann der Versicherer konkret auf diese Tätigkeit verweisen und mit dieser Begründung ebenfalls die Zahlung der BU-Rente einstellen.

Gerichtsurteil: BU-Versicherer stolpert über konkrete Verweisung

Die Begründung der konkreten Verweisung, die der BU-Versicherer für diesen Fall vorbrachte, überzeugte die Richter:innen des Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken jedoch nicht. Zum einen gehörte zum Stellenprofil als Vorarbeiter auch Führungsverantwortung, die Einarbeitung von Fachkräften sowie die Qualitätskontrolle der Arbeit. Nichts davon war in der neuen Stelle des Versicherten vorhanden.

Zum anderen blieb der Versicherer eine Erklärung schuldig, weshalb die aktuelle Tätigkeit des Klägers seiner früheren Lebensstellung als Vorarbeiter in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht gleichwertig sei, also eine vergleichbare Wertschätzung erhält. Aus diesen Gründen erfüllt die neue Stelle aus Sicht der Richter nicht die Anforderungen für eine Verweisungstätigkeit.

Dass der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen seinen ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben kann und im Sinne der Versicherung berufsunfähig ist, ließ sich zudem eindeutig belegen.

Das Urteil des OLG Saarbrücken lautet daher: Der BU-Versicherer ist verpflichtet, die BU-Rente auszuzahlen.

BU: Großteil der BU-Anträge wird angenommen

Fälle wie diese scheinen zu bestätigen, dass Versicherte die Ansprüche auf eine BU-Rente vor Gericht durchsetzen müssen. Laut Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wird hingegen die Mehrheit (80 %) der Anträge auf eine BU-Rente angenommen. Zu Streitfällen vor Gericht kommt es oft, wenn die Versicherten den geforderten Grad der Berufsunfähigkeit nicht erreichen.

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